Ein Zeichen der Bildungsmisere, die von vielen Seiten aus angegangen werden muss

Die Ergebnisse der Lesestudie IGLU stellen der deutschen Bildungspolitik erneut ein mittelmäßiges Zeugnis aus. Die Ergebnisse haben sich seit 2016 erneut verschlechtert. Der Familienbund der Katholiken sieht dringenden Handlungsbedarf für alle Beteiligten.

Berlin, 16. Mai 2023: „Das individuelle Problem nicht gut lesen zu können, entwickelt sich über Jahre zu einem gesellschaftlichen Problem. Die Kompetenz des Lesens ist entscheidend für den gesamten weiteren Bildungsverlauf“ erklärt Ulrich Hoffmann, Präsident des Familienbundes der Katholiken.

Besorgniserregend ist nicht nur der Anstieg auf 25 % Kinder, denen die mittlere Lesekompetenz fehlt, sondern auch der Anstieg der Streuung bei den Ergebnissen. Damit werden die Bildungsungerechtigkeit und das Auseinanderdriften der Verwirklichungsmöglichkeiten weiter verfestigt. Ulrich Hoffmann spricht die entstandene Bildungsmisere an: „Einem Viertel der Kinder fehlt die mittlere Lesekompetenz. Die Zahlen sind ein Ausdruck der gegenwärtigen Bildungsmisere. Diese verspielt die Zukunft unserer Kinder und damit auch die der Gesellschaft. Diese Zahlen sind vor allem auch Ausdruck des Mangels von Teilhabechancen und einer nicht ausreichenden Wertschätzung der Bildung in unserer Gesellschaft.“

Über das Lesen werden Grundsteine gelegt, um Informationen aufnehmen, verarbeiten und bewerten zu können. Dies hilft auch bei anderen Lernformaten wie Audio und Video. Wenn die Lesekompetenz fehlt, kann auch keine mathematische Aufgabe gelöst werden. Ulrich Hoffmann führt fort: „Ohne in die Schuldzuweisungen zu gehen, ist dennoch zu fragen: Wer ist hier in der Pflicht, dass Bildung gelingt?“

Der Familienbund sieht alle an der Bildung von Kindern Beteiligten in der Verantwortung. Von Nöten sind zum einen gute Rahmenbedingungen für das Lehrpersonal, zum anderen braucht es Weiterbildungen und eine bessere Zusammenarbeit der verschiedenen Bildungseinrichtungen sowie der pädagogischen Fachkräfte und der Eltern. Auch Eltern müssen sich fragen, wie sie ihre Kinder bestmöglich unterstützen können. Hierfür benötigen sie neben der Erwerbsarbeit aber auch ausreichend Zeit für die Familie.

Der Zurückgang der grundsätzlichen Lesemotivation bei Jungen und Mädchen zeigt, dass Lesen im familiären und öffentlichen Leben immer mehr an Bedeutung verliert. Das liegt auch am zunehmenden Zeitdruck der Eltern. Verkürzte Öffnungszeiten und Personalmangel in der Kinderbetreuung bedeuten für Eltern immer wieder Herausforderungen der Vereinbarkeit. Gleichzeitig Sorgearbeit zu leisten und am eigenen beruflichen Leben teilzunehmen, strapaziert die grundsätzliche Leistungsfähigkeit, aber auch vorhandene Zeitfenster. Ulrich Hoffmann betont: „Das Lesen und Vorlesen gerät in Stresssituationen schnell aus dem Blick. Aber Familie ist grundsätzlich ein zentraler Lern- und Bildungsort. Eltern sind Vorbilder und so richtet sich mein Appell an alle, einen kleinen Beitrag zu einem gemeinsamen Wandel zu leisten, sich Zeitfenster zu schaffen und gemeinsam zu schmökern.“