Beschluss der Bundesdelegiertenversammlung des Familienbundes der Katholiken

· Stellungnahmen

Der Familienbund der Katholiken lehnt eine einkommensunabhängige Kopfpauschale, bei der alle Erwachsenen grundsätzlich einen gleich hohen Beitrag an die Gesetzliche Krankenversicherung zahlen, als familienfeindlich und sozial ungerecht ab.


Dies gilt auch für eine teilweise einkommensunabhängige Kopfpauschale (z.B. Zusatzbeitrag zur Gesetzlichen Krankenversicherung). Mit der laut Koalitionsvertrag angestrebten Einführung von „einkommensunabhängigen Arbeitnehmerbeiträgen, die sozial ausgeglichen werden“, wird das seit Jahrzehnten bewährte solidarische Prinzip der Finanzierung beseitigt, wonach innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung der soziale Ausgleich zwischen den Starken und Schwachen über einkommensabhängige Beiträge zumindest bis zur Beitragsbemessungsgrenze stattfindet. Ein großer Teil der Versicherten würde von milliardenschweren Zuschüssen aus Steuermitteln abhängig. Besonders betroffen wären niedrige bis mittlere Einkommen sowie Familien mit Kindern. Für die Betroffenen würde ein sehr aufwändiges und fehlerträchtiges Antragsverfahren eingeführt, und unsere Gesellschaft würde mit einem zusätzlichen „Bürokratiemonster“ belastet.

Stattdessen fordert der Familienbund eine Reform, bei der die solidarischen Elemente der Finanzierung gestärkt und nicht weiter geschwächt werden. Dazu gehören die Beibehaltung einkommensabhängiger Beiträge unter Einbeziehung aller Einkünfte in Verbindung mit der Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze und der Pflichtversicherungsgrenze, die strikte Durchsetzung des Prinzips der Familienversicherung (Mitversicherung aller Angehörigen ohne eigenes sozialversicherungspflichtiges Einkommen) sowie die Wiederherstellung der paritätischen Finanzierung (gleich hohe Beteiligung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer). Der Familienbund ist der Auffassung, dass darüber hinaus mehr Solidarität im Gesundheitswesen durch die Einbeziehung aller Personengruppen in das System der gesetzlichen Krankenversicherung erreicht werden kann.

Begründung und Erläuterung:

Der Schutz der Bürger vor existenziellen Lebensrisiken gehört zum Auftrag des Sozialstaates. Das System der gesetzlichen Krankenversicherung erfüllt vom Grundsatz her bisher diesen Anspruch. Es beruht auf den Prinzipien der solidarischen Finanzierung und der bedarfsorientierten Leistungen: alle Versicherten haben Anspruch auf die medizinisch notwendigen Behandlungen in angemessener Qualität. Zur Finanzierung der Leistungen ist die Gesetzliche Krankenversicherung auf die Solidarität der Gesunden mit den Kranken, der Jüngeren mit den Älteren, der finanziell Starken mit den finanziell Schwachen angewiesen. Mit der Umstellung der Finanzierung auf (teilweise) Prämien wird dieses Solidarprinzip aufgelöst. Insofern wird zwar von der Politik ein Sozialausgleich als zwingend notwendig erkannt, so dass auch einkommensschwächere Versicherte ihren pauschalen Beitrag aufbringen könnten. Der Sozialausgleich droht jedoch zur „Manövriermasse nach Haushaltslage“ zu verkommen. Der Familienbund hält es nicht für realisierbar, gleichzeitig die Steuern (noch weiter) zu senken und aus den verbleibenden Steuereinnahmen zusätzlich einen Sozialausgleich zu finanzieren. Wissenschaftliche Institute haben für den Sozialausgleich einen jährlichen Finanzbedarf von 22 Mrd. Euro (IGES) bis 35 Mrd Euro (Uni Köln) errechnet. Bei einer Refinanzierung durch die Mehrwertsteuer müsste der Mehrwertsteuersatz nach Auskunft des Bundesfinanzministeriums (BT-Drucksache 17/691) um 2 ½ bis 4 Prozentpunkte angehoben werden. Außerdem wäre der Sozialausgleich mit einem immensen Verwaltungsaufwand verbunden, vor allem deshalb, weil die Höhe der individuellen Ausgleichsbeträge an alle Veränderungen der Einkommen der Arbeitnehmer angepasst werden müsste und darüber hinaus unklar ist,  ob die Belastungsgrenze individuell oder nach Familien oder nach Haushaltsgemeinschaften bewertet wird.

Besonders hoch droht bei einem Kopfpauschalen-System die Belastung der Familien mit Kindern zu werden. Bisher sind durch das Prinzip der Familienversicherung über den vom Erwerbseinkommen der Familie errechneten und gezahlten Beitrag Eltern und Kinder gemeinsam krankenversichert. Künftig müssten viele Familien zusätzliche Beiträge entrichten, was entweder ihr verfügbares Einkommen reduzieren und/oder die Familien abhängig von weiteren Transferzahlungen machen würde.

Bei zahlreichen Kopfpauschalen-Überlegungen ist vorgesehen, den Arbeitgeberanteil zur Krankenversicherung an die Arbeitnehmer auszuzahlen und als Einkommen zu versteuern. Dann würden etwa 80% der Arbeitnehmer ihren „Sozialausgleich über Steuern“ zu einem wesentlichen Teil selbst finanzieren. Im Gegensatz dazu haben bisher vor allem Bezieher hoher Einkommen von Einkommensteuerentlastungen der vergangenen Jahre (zum Teil erheblich) profitiert. Andere Modelle sehen ein „Einfrieren“ des Arbeitgeberbeitrages vor. In diesem Fall würden alle künftigen Beitragserhöhungen nur zu Lasten des verfügbaren Einkommens der Arbeitnehmer gehen.

Bereits beim jetzigen System der Zusatzbeiträge droht eine schleichende Einführung der Kopfpauschale. Da der gedeckelte derzeitige Beitragssatz zunehmend nicht ausreichen wird, ist mit einem immer höheren Volumen an Zusatzbeiträgen zu rechnen, Sie werden im jetzigen System nicht an den Gesundheitsfonds, sondern an die jeweilige Krankenkasse gezahlt. Dadurch kann ein neuer Wettbewerb zwischen den einzelnen Kassen um die günstigsten Risiken entstehen. Diese Tendenz wird dadurch verstärkt, dass bisher nur 80 Krankheitsgruppen als Basis für den Morbiditäts-Risikostrukturausgleich einbezogen werden. Solidarität nach dem Prinzip der Leistungsfähigkeit muss auf eine möglichst breite und gerechte Basis gestellt werden. Ähnlich wie im Rentenmodell der katholischen Verbände kann mehr Solidarität im Gesundheitswesen durch die Einbeziehung aller Personen und aller Einkommensarten zur Beitragszahlung erreicht werden.

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