KOMMENTAR | Gesucht: Eine Geste

Die Sommerferien sind noch nicht verebbt, da mögen sich so manche zurückgekehrten Mütter und Väter bereits an ihre schönsten Urlaubserlebnisse erinnern: an das schwedische Ehepaar, das der Familie aus Deutschland an den gleißenden Gestaden des Mittelmeeres ihren Sonnenschirm überließ, an den italienischen Busfahrer, der mit strahlendem Lächeln die einsteigenden Kinder nach Namen und Alter befragt, an den Kellner, der für den kleinen Jungen aus dem Spielzeugladen nebenan eigens ein kleines Auto kauft, oder an die „family lane“, der exklusiven Spur, die Familien am Flughafen komfortabel an den Touristenströmen vorbeiführt. Neben Sonne, Meer und tropfenden Eiswaffeln sind es vor allem solche Erlebnisse, die den Urlaub von Familien einen unvergesslichen Goldrand verleihen. Für dessen Leuchten sorgt eine in unseren Breiten etwas in Vergessenheit geratene Tugend namens Familienfreundlichkeit.    
Was in den nordischen und mediterranen Ländern zur kulturellen DNA zu gehören scheint, ist hierzulande durchaus noch ausbaubar. Allzu oft beklagt man sich hier vielerorts über lärmende Kinder und sperrige Kinderwagen. Wie ärgerlich, dass sich Kinder und Eltern nicht stets der Zweckrationalität einer funktionierenden Gesellschaft fügen wollen! Dagegen werden hilfsbedürftige Mütter und Väter im Alltagstrubel oft mit Gleichgültigkeit quittiert. Kurios genug: Während am Mittelmeer Sand und Leben Kindern zum paradiesischen Spielplatz werden, scheinen Familien hierzulande nicht selten eher als Sand im Getriebe zu gelten.  
Was es braucht auf dem Weg zu einer familienfreundlichen Gesellschaft ist nicht weniger als ein Bewusstseinswandel, von jedem Einzelnen. Gewiss, der Anspruch ist hoch und hätte gerade deshalb die Kraft, eine ganze Gesellschaft zu verzaubern. Gelebte Familienfreundlichkeit, dieser wohlwollend-menschliche Blick auf den Nächsten, wie wir ihn bei vielen unserer europäischen Nachbarn erleben, ist die ganz beiläufige, wie selbstverständliche Anteilnahme an Familien in unser aller kultureller Mitte, jenseits von Gesetzen, Regularien und Verfassungsänderungen. Diesen Weg zu beschreiten, es wäre eine Geste der Verbundenheit, ein lächelndes Atemholen im Alltag von Familien!
 

Ulrich Hoffmann
Präsident des Familienbundes der Katholiken